Ich sitze alleine am Rand der alten Mühle von Collioure, lasse die Beine baumeln und blicke auf das Meer hinaus. Friedlich säumen die ziegelroten Dächer die Bucht unter mir, ein Arbeiter trägt seine Spitzhacke über seinen Rücken geschultert den schmalen Pfad herab.

Aus der Tiefe wehen mit einer sanfte Brise die Klänge einer Mundharmonika bis zu mir. Die Melodie klingt ein bisschen wehmütig, nach einer unbestimmten Sehnsucht, die das Meer aufnimmt und in seinen Wellen davonträgt. In der Ferne kann ich die schneebedeckten Gipfel der Pyrenäen sehen. Es ist warm geworden in der Januarsonne, ich trage nur noch ein dünnes Jeanshemd. Die kälteste Zeit des Jahres, sagen die Einwohner. Viele sind es nicht. Kaum vorstellbar, dass Collioure in Sommermonaten von Touristen überrannt wird, die Strände gefüllt sind vom Duft nach Sonnencrème, lachenden Menschen und Souvenirständen.

Nun schreitet lediglich eine Einheit von Soldaten die Hafenpromenade entlang, Rentner gehen mit ihren Hunden spazieren und einzelne Ladenbesitzer zwinkern mir zu, grüßen mit einem verschmitzten „Bonjour, Mademoiselle”. Die kleinen Cafés und Restaurants tragen meerestypische Namen wie La playa und Les Mouettes, liegen wie vertäute Schiffe am Ufer und und begleiten das verlassene Karussell in seinem Winterschlaf.
Mi alma es un carousel vacío en el crepúsculo – Pablo Neruda
Meine Seele ist ein leeres Karussell bei Sonnenuntergang, schrieb Pablo Neruda, und tatsächlich scheint die bloße Abwesenheit von Mitfahrern das leere Karussell mit Nostalgie zu füllen. Staub tanzt im Licht vor den Nüstern der Pferde, scheint die Figuren zum Drehen herauszufordern, doch das Karussell steht still.

Ich laufe weiter zum Leuchtturm von Collioure, dem berühmten Glockenturm des Ortes, der noch heute hin und wieder sein grünes Licht über das Meer glimmen lässt. Glitzernd liegt der steinerne Weg im Gegenlicht vor mir, Sonnenstrahlen brechen sich auf der Wasseroberfläche.

Wenn das der Winter von Collioure ist, dann braucht das Küstenstädtchen auf den Sommer nicht zu warten. Er ist längst angekommen.
Meine Collioure Sehenswürdigkeiten
“La couleure en absolu”, die pure Farbe, das ist der Slogan der kleinen Küstenstadt. Und tatsächlich ist es das türkise Schimmern des Meeres, das warme Grau der Steine und das wilde Grün der Kakteen, die den Ort im Ganzen zu einer prachtvollen Farbkulisse machen. Erste Knospen blühen rosa vor dem weißen Bergpanorama, der Ausblick gleicht einem Gemälde von französischer Küstenidylle. Dazu passend findet man in ganz Collioure verteilt leere Bilderrahmen, zwölf Stück an der Zahl.
Sie ermöglichen verschiedene Perspektiven auf die Kirche Notre Dame des Anges, bannen den Blick des Besuchers auf die berühmteste der Sehenswürdigkeiten in Collioure.

Der Künstler Marc-André hat sie unter dem Titel 2 Figueres erschaffen, eine der Rahmen, die andere die Kirche. Mir gefällt diese Art von Freilichtgalerie, ein subtiler Hinweis auf die vollkommene Schönheit der Gegend, wenn man sie nur anguckt.
L’art est un pas de la nature vers l’infini.
Die Kunst ist ein Schritt der Natur gen Unendlichkeit, so steht es draußen (wo auch sonst) im Musée sans murs in Font-Romeu. Eine ebenfalls sehr zu empfehlende Freilichtgalerie!
Nun aber zurück zu den Sehenswürdigkeiten in Collioure…
Eine der schönsten Collioure Sehenswürdigkeiten, die man auf jeden Fall auch im Winter ansehen kann, ist der bereits erwähnte Clocher de Collioure, der auch als Phare de Collioure, Leuchtturm von Collioure oder Glockenturm von Collioure bekannt ist.

Wenn man diesen nicht nur hinter einer der Installationen von Marc-André betrachtet, sondern sich direkt auf das winzige Ilot St Vincent begibt, kommt man unmittelbar an der nächsten Sehenswürdigkeit in Collioure vorbei, einer kleinen Kapelle, die bei Ebbe sogar kleine Kraxelausflüge über die Felsen um sie herum zulässt.
Von der Kapelle aus hat man wiederum einen schönen Blick zu der Ende des 17. JH errichteten Kirche Notre Dame des Anges, und kann sich über die Bucht am Château Royale vorbei gen Mühle aufmachen.

Der Weg führt ab dem Ortskern in zehn Minuten an Kakteengärten und durch lockeren Kiefernwald bis zur Plattform, die einen Panoramablick über den Ort ermöglicht.
Mehr Sicht gibt’s nur vom Fort Sant Elme, dafür muss man aber weitere zwei, drei Stunden einplanen. Die hatte ich leider ebensowenig übrig wie Zeit für die übrigen Sehenswürdigkeiten in Collioure, die da wären das Fort Rond (auch als “Sternenturm” bezeichnet) und das Fort Carré. Auch sämtliche Kunstausstellungen und die unterirdischen Gänge des Châteaus waren noch geschlossen, die Treppen neben der Kirche im Vieux Quartier du Mouré nicht blumenbehangen wie auf sämtlichen Instagrambildern.
Dennoch oder gerade deshalb hatte Collioure im Winter seinen ganz eigenen Charm. Alleine strahlt ja bekanntlich so einiges heller, besonders im Licht der Januarsonne. Im Sommer wäre natürlich das Karussell mein absolutes Highlight gewesen. Einmal Pferdemädchen, immer Pferdemädchen.
Anfahrt nach Collioure
Von Perpignan aus kann man Collioure in 20 Minuten mit dem Zug erreichen, je nach Zeit und Reservierung klappt das schon für 6€. Das Fortschrittliche an Frankreich sind jedoch die 1€-Busse im département66, die einen so einfach in dem gesamten Gebiet der Pyrénées Orientales herumbringen. An die Küste oder in die Berge, fast überall gelangt man für 1- 3€ hin, auch das Umsteigen ist perfekt getimed. Warum das wohl anderswo nicht funktioniert? Ich tippe mal auf A wie Autoindustrie. Collioure jedenfalls erreicht man in 40 Minuten auch per Bus.

Wer geht nachgucken, ob das Karussell wieder erwacht ist?